(DAV). Wer mit dem Fahrrad auf dem Gehweg unterwegs ist, kennt das Risiko: Grundstücksausfahrten, parkende Autos, unübersichtliche Ecken. Kommt es zum Unfall, stellt sich schnell die Frage: Wer haftet – und in welchem Umfang? Besonders heikel wird es, wenn Kinder oder Jugendliche beteiligt sind.
Das Oberlandesgericht Celle hat in einem Fall vom 15. Oktober 2024 (AZ: 14 U 143/24) entschieden, dass auch ein jugendlicher Radfahrer für einen Unfall auf dem Gehweg mithaften kann – jedoch nicht voll. Wegen seines verkehrswidrigen Verhaltens musste er noch zu 70 Prozent haften, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Radfahrer gegen Auto auf dem Gehweg: So kam es zum Unfall
Ein Jugendlicher (über zehn Jahre) befuhr mit seinem Fahrrad einen Gehweg – allerdings entgegen der zugelassenen Richtung. Zur gleichen Zeit verließ die Beklagte mit ihrem Auto ein Grundstück und tastete sich über den Gehweg auf die Straße. Dort kam es zur Kollision. Der junge Radfahrer wurde verletzt und verlangte Schadensersatz. Das Landgericht Lüneburg sah den Hauptverursacher im Radfahrer und verteilte die Haftung zu 70 Prozent zu seinen Lasten.
Mitverschulden ja – aber kein grober Fehler
Das Oberlandesgericht Celle bestätigte diese Einschätzung. Zwar wurde anerkannt, dass die Pkw-Fahrerin eine erhöhte Betriebsgefahr trug, da sie aus einer Grundstücksausfahrt kam, denn dann gelten besondere Sorgfaltspflichten. Zudem erhöhte die besondere Situation auf dem Gehweg – freigegeben für Radfahrer in der anderen Richtung – die sogenannte Betriebsgefahr des Fahrzeugs.
Jedoch sei das Verhalten des Jugendlichen – insbesondere das Befahren des Gehwegs in falscher Richtung – als erheblicher Verkehrsverstoß zu werten. Aufgrund seines Alters (älter als 10 Jahre) sei aber kein grobes Verschulden im juristischen Sinne anzunehmen, das eine vollständige Haftung gerechtfertigt hätte.
Warum das Alter des Radfahrers entscheidend ist
Ein wichtiger Punkt der Entscheidung: Das Alter des Radfahrers. Der Kläger war kein Kind mehr, aber auch noch kein Erwachsener. Das Gericht betonte, dass Jugendliche in der Regel weniger umsichtig und vorausschauend agieren. Daher sei ein besonders strenges Verschulden nicht zu unterstellen. Eine vollständige Haftung des jungen Radfahrers – wie von der Beklagten gefordert – lehnte das Gericht ab.
Fazit für die Praxis
Radfahrer auf dem Gehweg sind nicht automatisch aus der Haftung raus – besonders wenn sie sich nicht an die Verkehrsregeln halten. Aber auch Autofahrer müssen besonders aufmerksam sein, wenn sie aus Einfahrten über Gehwege fahren. Und: Bei Jugendlichen spielt die Reife eine Rolle bei der juristischen Bewertung. Die Entscheidung des OLG Celle zeigt einmal mehr, wie genau Gerichte abwägen – und wie wichtig der Einzelfall ist.
Quelle: www.verkehrsrecht.de